1950
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Inhaltsverzeichnis
Jubiläen
Ereignisse
Januar
- 12. Januar 1950: Amtgerichtsdirektor Dr. Leonhard Henze, bisher Amtsgerichtsrat in Göttingen, wurde in sein Amt eingeführt.
- 18. Januar 1950: Heute hielt der Landes-Nachforschungsdienst, der sich die Nachforschung nach vermissten Kriegsgefangenen zur Aufgabe gemacht hat, hier eine Tagung ab.
- 19. Januar 1950: Bei einer von ehemaligen Angehörigen und Freunden der Königsberger Universität in der Aula der Georgia Augusta veranstalteten Feierstunde aus Anlass des 75. Geburtstages des einstigen Königsberger Universitäts-Kurators, Dr. phil. h.c. Friedrich Hoffmann, verkündete der Rektor, Professor Dr. Raiser, die Ernennung Dr. Hoffmanns zum Ehrenbürger der Universität Göttingen.
- 21. Januar 1950: In einer von der Sozialistischen Reichspartei im "Stadtpark" anberaumten Versammlung sollte der frühere Generalmajor Remer sprechen, der bei der Niederwerfung des Aufstandes gegen Hitler am 20. Juli 1944 eine wesentliche Rolle gespielt hatte. Da an anderen Orten Niedersachsens Remer-Versammlungen zu Tumulten geführt hatten, wurde die hiesige verboten. Es bildeten sich unter Führung einer Studentengruppe Demonstrationszüge, die in die Lange Geismar-Straße und zum Brauweg zogen, wo vor den Wohnungen als Remer-Anhänger bekannter Studenten das Heraustreten Remers in Sprechchören gefordert wurde. Der Vorsitzende des Allgemeinen Studenten-Ausschusses forderte im Auftrag der Polizei die Demonstranten auf, auseinanderzugehen. Weitere Zwischenfälle ereigneten sich nicht.
- 22. Januar 1950: Im 69. Lebensjahr verstarb der Gründer und Inhaber des seit 1910 hier bestehenden großen Herren- und Knaben-Bekleidungsgeschäftes Dieckmann & Co., Georg Kentopf, eine in hiesigen Wirtschaftskreisen bekannte Persönlichkeit.
- 23. Januar 1950: Von heute ab ist eine neue Autobuslinie (Linie 5) mit stündlicher Wagenfolge auf der Strecke Beyerstraße-Theaterplatz-Marktplatz-Geismar Tor-Lagarde Platz-Geismar im Betrieb genommen worden.
- Vom 23. bis 25. Januar war unsere Stadt Tagungsort der Gewerbelehrer in den Fachklassen der Kraftfahrzeughandwerker.
- Gleichzeitig tagte am 23. und 24. Januar der Verband Deutscher Diplom-Landwirte hier.
- 27. Januar 1950: Im Stadttheater gab der berühmte Schauspieler und 82 jährige Nestor der deutschen Schauspielkunst, Albert Bassermann, mit seiner Gattin Else und eigenem Ensemble ein begeistert aufgenommenes Gastspiel (Henrik Ibsens "Gespenster").
- 29. Januar 1950: Das Theater hatte wiederum einen großen Tag. Vormittags fand eine Gedenkstunde für den 1946 verstorbenen Komponisten Heinrich Kaminski statt. Abends wurde dessen nachgelassenes Werk "Das Spiel von König Aphelius" uraufgeführt. Viele auswärtige Musikkritiker und Theaterfachleute waren anwesend.
Februar
- 7. Februar 1950: Das von der britischen Besatzung freigegebene Hotel Gebhard konnte nach Erneuerung teilweise wiedereröffnet werden. Der lebhafte Fremdenverkehr Göttingens erfährt damit eine große Erleichterung hinsichtlich der Unterbringungsmöglichkeiten.
- 9. Februar 1950: Als Nachfolger von Baumeister Otto Machleidt, der vier Jahre hindurch als Kreishandwerksmeister fungiert hat, trat der Obermeister der Schmiede-Innung, August Bielefeld, heute das Amt an.
- 9. Februar 1950: An den Folgen einer Operation starb im Alter von 51 Jahren der Begründer und Mitinhaber der großen Göttinger Strick- und Wirkwarenfabrik Willi Schöneis & Co., Willi Schöneis.
- 13. Februar 1950: Verlagsbuchhändler Gustav Ruprecht, Seniorchef des Verlages Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen, verschied fast 90 jährig.
- 14. Februar 1950: Die älteste Einwohnerin von Göttingen, Frau Sophie Stölting, geb. Twele, Witwe des Superintendenten Stölting, begeht heute ihren 99. Geburtstag.
- 15. Februar 1950: An der Staats- und Universitäts-Bibliothek wurde die Studenten-Lehrbücherei eröffnet, die die meist gebrauchten Lehrbücher in einer größeren Stückzahl besitzt und daher für länger ausleihen kann. Die Schaffung dieser Lehrbücherei ist eine aus den Nöten der Nachkriegszeit geborene Maßnahme, den Studenten zu helfen, die kaum in der Lage sind, die teuren Studienbücher sich selbst anzuschaffen.
- 24. Februar 1950: Als ältester männlicher Göttinger feiert heute der Reichsbankbeamte a. D. Wilhelm Banse seinen 96. Geburtstag.
- 25. Februar 1950: Das seltene Fest des Eisernen (60-jährigen) Doktor-Jubiläums kann heute der Chemiker Dr. phil. Gentsch hier begehen. Der Jubilar steht im 82. Lebensjahr.
März
- 1. März 1950: Das seit Juli vorigen Jahres im Haus "Atlantic", Ritterplan 2/3, bestehende Spielkasino stellte wegen zunehmender Unrentabilität seinen Betrieb ein.
- 10. März 1950: In der heutigen Ratssitzung gab Oberverwaltungsrat Kluge einen Bericht über den Umfang der sozialen Arbeit in Göttingen. Danach erhalten hier derzeitig 11.279 Personen Renten durch die Post (im Monate Februar zeigte diese dafür hier 693.407 DM aus). Für den Bezirk des Arbeitsamtes Göttingen (Stadt- und Landkreis Göttingen, Kreis Hann. Münden) sind augenblicklich 12.205 Personen registriert. Die Stadt Göttingen hat 4742 Hauptunterstützungsempfänger und rund 10.000 unterstützte Personen (Familienzuschläge). Das Sozialamt betreut etwa 3540 Personen. Zusammen mit einmalig gewährten Unterstützungen wurden dafür rund 2 Millionen DM ausgegeben. - Bei vorsichtiger Schätzung ergibt sich, dass zur Zeit in Göttingen etwa 20.000 Personen leben, die das Existenzminimum nicht erreichen.
- 22. März 1950: Das Oberhaupt der schottischen Kirche, Moderator Professor Duncan, kam für mehrere Tage nach Göttingen und hatte mit verschiedenen kirchlichen Stellen Besprechungen.
- 22. März 1950: Die seit einem halben Jahr in Göttingen ansässige Film-Produktion von Professor Froelich siedelt nach Berlin-Tempelhof über. Die hiesigen Film-Ateliers stehen seit Monaten ungenützt.
- 25. März 1950: Mit dem heutigen Tag stellen die "Amtlichen Bekanntmachungen" ihr Erscheinen ein. Sie waren ein Kind der Notzeit unmittelbar nach dem Zusammenbruch 1945. Da damals Tageszeitungen nicht erschienen, wurde es notwendig, ein eigenes Organ zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen einzurichten. Nachdem die Tageszeitungen jetzt wieder täglich erscheinen, haben die "Amtlichen Bekanntmachungen" ihre Ausgabe erfüllt.
- 31. März 1950: Der afghanische Staatssekretär Dr. Jusuf stattete den Göttinger Handelslehranstalten einen informatorischen Besuch ab.
- 31. März 1950: Standesbeamter Richard Eckert trat nach Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand und wurde heute von Oberstadtdirektor Schmidt im Rathaus verabschiedet. Er hat in den 23 Jahren seiner standesamtlichen Tätigkeit über 8000 Paare getraut.
April
- 1. April 1950: Die Klempner-, Installateur- und Kupferschmiede-Innung besteht heute 50 Jahre. Ihr derzeitiger Obermeister ist Kupferschmiedemeister Karl Reiter.
- 1. April 1950: Im Gebäude der Felix-Klein-Oberschule und dem früheren Wirtschaftsgebäude der ehemaligen Lüttich-Kaserne sind zwei neue Volksschulsysteme eingerichtet worden. Im Zusammenhang damit erfuhr die Einteilung der Göttinger Schulbezirke eine Neuordnung, durch die vor allem die bisher überbelegte Albani- und Herbart-Schule um je rund 400 Kinder entlastet werden. Außerdem ist der Bau einer Volksschule im Nordviertel beschlossen worden, die Pläne werden derzeitig im Stadtbauamt bearbeitet.
- 12. April 1950: Vom 12. bis 14. April fand hier ein Landpädagogischer Kongress statt, veranstaltet von der Landvolkabteilung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Gemeinschaft mit dem Institut für Erziehung und Unterricht und der Pädagogischen Hochschule.
- 12. April 1950: Göttingen bewirbt sich derzeitig bei der Bundesregierung in Bonn darum, Sitz des Obersten Bundesgerichts zu werden. Oberstadtdirektor Schmidt ist zu diesem Zweck persönlich in Bonn vorstellig geworden. Das Gesuch der Stadt wird von der Juristischen Fakultät der Universität besonders unterstützt. Die Stadtverwaltung beabsichtigt, die von der britischen Besatzung freigegebenen ehemaligen Zieten-Kasernen auf dem Lohberg für die Zwecke des Bundesgerichts herzurichten, falls die Ortswahl auf Göttingen fallen sollte.
- 16. April 1950: Der Universitätsbund Göttingen führt vom 16. bis 22. April in Osnabrück eine Hochschulwoche durch, der in den nächsten Wochen solche in Lüneburg und Celle sich anschließen werden.
- 16. April 1950: Pastor Wilhelm Eichhorn, seit 1927 zweiter Geistlicher in St. Jacobi, starb am 14. April an einem Gehirnschlag unerwartet. In der überfüllten St. Jacobikirche fand heute die Trauerfeier für den beliebten Geistlichen statt, der sich unter ungeheurer Beteiligung die Beisetzung auf dem Stadtfriedhof anschloß.
- 17. April 1950: Der 5. Göttinger Juristentag wurde heute abgehalten, an ihm nahm auch Oberlandesgerichtspräsident von Hodenberg aus Celle teil.
- 17. April 1950: Der Gesamtverband der evangelisch-lutherischen Gemeinden Göttingen hat einen Wettbewerb für den Neubau einer Kirche auf dem Egelsberg ausgeschrieben. 55 Architekten aus den Regierungsbezirken Hannover und Hildesheim beteiligten sich daran. Das Preisgericht stand unter dem Vorsitz von Landeskonservator Professor Dr. Deckert-Hannover und verlieh 5 Preise.
- 20. April 1950: 22 Vertreter großer westdeutscher Zeitungen besuchten auf einer Informationsreise heute unsere Stadt.
- 24. April 1950: Vor dem Göttinger Arbeitsgericht stand unter großem Publikums-Andrang heute die Klage der Schauspielerin Marianne Schubart vom Theater der Stadt Göttingen gegen die Stadtverwaltung wegen rechtsunwirksamer Aufhebung ihres Engagements-Vertrages zur Verhandlung. Dem Prozess kommt eine allgemeine Bedeutung zu, weil es sich dabei um die grundsätzliche Frage handelt, ob die als Folge des künftigen Fortfalls von Oper und Operette wie der Umstellung des Theaters aus städtischer Regie in einen Gesellschaftsbetrieb vorgenommenen Massenkündigungen zu Recht bestehen oder nicht. Das Arbeitsgericht erklärte nach fast achtstündiger Verhandlung die Lösung des Schubartschen Engagements-Vertrages für ungültig. Die Stadtverwaltung wird gegen dieses Urteil Berufung einlegen.
- 24. April 1950: Der Kommandant der britischen Besatzung, Mr. Newey, stattete Oberbürgermeister Föge einen Abschiedsbesuch ab. Damit hat die bisher hier stehende britische Besatzung der Rhine Army Göttingen verlassen, es bleiben nur noch einige britische Dienststellen hier zurück.
Mai
- 1. Mai 1950: Die diesjährige Maifeier der Gewerkschaften fand auf dem Marktplatz statt und verlief eindrucksvoll. Neben dem Vorsitzenden der Ortsgruppe Göttingen des Deutschen Gewerkschaftsbundes sprach auch der Rektor der Universität.
- 2. Mai 1950: Heute fand den Göttingen die Tagung der Allgemeinen Hannoverschen Missionskonferenz statt.
- 3. Mai 1950: Das Gebäude der Oberschule für Mädchen am Friedländer Weg reicht für die stark gewachsene Zahl der Schülerinnen seit längerem nicht mehr aus. Daher hat die Stadtverwaltung das Haus der früheren Luisenschule, Baurat-Gerber-Straße 10, wieder als Schulgebäude herrichten lassen zur Unterbringung einiger Klassen. Heute wurde das Haus mit einer kurzen Feier seiner neuen Bestimmung übergeben.
- 4. Mai 1950: Die britische Besatzungsbehörde gab das Auditoriengebäude nach fünfjähriger Beschlagnahme wieder frei. Die Raumnot der Universität wird dadurch wesentlich behoben.
- 6. Mai 1950: Professor D. Dr. Wolfgang Trillhaas, Ordinarius für praktische Theologie, übernahm das Rektorat der Georg-August-Universität. Der traditionellen Feier wohnten Ministerpräsident Kopf, Kultusminister Voigt sowie die Minister Kübel und Hoffmeister, die Regierungspräsidenten von Hildesheim, Hannover und Lüneburg, die Landesbischöfe von Hannover und Braunschweig, die Rektoren der Hochschulen Niedersachsens und auch der Herzog von Braunschweig und Lüneburg bei - eine Beteiligung offizieller Stellen, wie sie kaum bisher bei Rektoratsübergaben hier gesehen worden ist.
- 7. Mai 1950: Auf dem Marktplatz fand eine von tausenden Ostvertriebener, Bombengeschädigter und Everkuierter besuchte Protestkundgebung statt gegen die nach ihrer Meinung seitens der Bundes- und der Landesregierungen ungerecht gehandhabte Behandlung ihrer Forderungen auf wirtschaftliche Gleichstellung mit den Einheimischen. Aus der Umgebung waren zu dieser Kundgebung Sonderautobusse gefahren worden.
- 7. Mai 1950: Die Stadt Göttingen machte der Stadt Berlin 3000 Rotbuchen-, 1000 Pappel-Stecklinge des Göttinger Typs, 50 hochstämmige Linden, 50 Zürbelbäume und eine Rotbuche zur Wiederaufforstung des im Krieg völlig zerstörten Tiergartens zum Geschenk. Der Magistrat von West-Berlin Will einer Allee in dem neuen angelegten Tiergarten zum Dank "Göttingen Allee" benennen.
- 11. Mai 1950: Gestern und heute weilte eine Umsiedlungskommission aus dem Land Rheinland-Pfalz in Göttingen. Diese Kommissionen sind zur Auswahl geeigneter Flüchtlinge eingesetzt, die im Land Rheinland-Pfalz neu angesiedelt werden sollen, wodurch das von Vertriebenen überlastet Land Niedersachsen entlastet werden soll. Aus dem Landkreis Göttingen gingen bereits 3 Umsiedler-Transporte nach dem Westen ab. Aus der Stadt Göttingen konnten 137 Personen ausgesucht werden.
- 14. Mai 1950: Das Städtische Freibad wurde wieder eröffnet.
- * 14. Mai 1950: Heute hielt der Rat der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft in Göttingen eine Vorbesprechung der für August in Kiel vorgesehenen Jahres-Hauptversammlung ab.
- 19. Mai 1950: Der britische Beauftragte für das Land Niedersachsen, Brigadier J. Lingham, eröffnete vor vielen Ehrengästen das neue Heim der "Brücke" (britische Informationszentrale) im umgebauten Haus der einstigen Burschenschaft "Brunsviga", Schildweg 40.
- 21. Mai 1950: Als erste Stadt ihrer Deutschland-Tournee besuchte eine englische Fußballmannschaft (Nottingham Forest) Göttingen und spielte auf dem Sportplatz Maschpark gegen den Göttinger Sport-Club 05. Das Spiel blieb mit 2:2 Toren unentschieden. Im Rathaussaal fand aus Anlaß des Besuchs der englischen Fußballmannschaft eine offizielle Begrüßung statt, bei welcher der völkerverbindende Einfluß des Sports besonders betont wurde.
- 23. Mai 1950: Die Kunstgeschichtliche Gesellschaft Hannover hielt heute ihre Mai-Sitzung in Göttingen ab.
- 24. Mai 1950: In der Aula beging die Universität die feierliche Immatrikulation der 826 neuzugelassenen Studierenden.
- 25. Mai 1950: Vom 25. bis 27. Mai tagte der Verband der Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, e. V., Sitz Dortmund, in Göttingen.
- 25. Mai 1950: In Gegenwart zahlreicher Ehrengäste (darunter Regierungspräsident Backhaus-Hildesheim) fand das Richtefest für den Erweiterungsbau der Universitäts-Kinderklinik statt.
- 30. Mai 1950: 1500 Bäcker aus ganz Niedersachsen nahmen an dem vom 30. Mai bis 2. Juni hier abgehaltenen Verbandstag des Bäckerinnungs-Verbandes teil. Ein Fackelzug der Bäckergesellen-Brüderschaft aus ganz Südhannover und der Göttinger Lehrlinge zu Ehren der Meister eröffnete heute Abend die Veranstaltungen.
Juni
- 1. Juni 1950: Nach Freigabe durch die britische Besatzung konnte jetzt auch das Hotel "Zur Sonne" wieder eröffnet werden, wodurch dem Fremdenverkehr 62 Betten mehr zur Verfügung stehen.
- 1. Juni 1950: Der Platz vor dem Bahnhof hat durch das Stadtbauamt eine Verschönerung erfahren. Die endgültige Gestaltung soll später durchgeführt werden, sie wird besonders den dort ungemein starken Autobusverkehr zu berücksichtigen haben.
- 1. Juni 1950: Während des Krieges war auf dem Wilhelmsplatz ein großer Feuerlöschteich zu Luftschutzzwecken angelegt worden. Derzeit wird dieser zugeschüttet und der Platz in seinen alten Zustand versetzt. Der soll ganz als Auto-Parkplatz dienen.
- 1. Juni 1950: Professor Dr. Rudolf Stich, langjähriger Ordinarius für Chirurgie und Direktor der Chirurgischen Universitäts-Klinik, ist zum Ehrenmitglied der Deutschen Chirurgischen Gesellschaft ernannt worden.
- 9. Juni 1950: In vertraulicher Sitzung beschloss der Rat, die Amtszeit von Oberstadtdirektor Schmidt bis zum 30. Juni 1951 zu verlängern. Da Oberstadtdirektor Schmidt die Altersgrenze überschritten hat, wird die Stelle zum 1. Juli 1951 ausgeschrieben werden.
- 9. Juni 1950: Der Studentenrat der Universität hat nach mehrstündiger Debatte mit 32 Stimmen bei 10 Gegenstimmen und 4 Enthaltungen beschlossen, die von der Studentenschaft der Universität Göttingen mit der der Leipziger Universität unterhaltene Patenschaft aufzugeben. Als Gründe werden die unüberwindlichen Verschiedenheiten in den politischen Grundvoraussetzungen und Grundvorstellungen bei beiden Partnern angegeben.
- 9. Juni 1950: Derzeit führt die Universität Verhandlungen, den alten Plan einer Verlegung ihrer Forstlichen Fakultät von Münden nach Göttingen zu verwirklichen. Seitens der Forst-Studenten wie der Stadt Münden wurden Einsprüche erhoben, die Stadt Göttingen würde im Falle der Verlegung Teile der ehemaligen Zieten-Kaserne auf dem Lohberg zur Verfügung stellen. Da nach Mitteilung der niedersächsischen Staatsregierung derzeitig Mittel für die Verlegung nicht bereitstehen, ist mit der Übersiedlung in naher Zukunft nicht zu rechnen. Die Universität betreibt das Anliegen aber eifrig weiter.
- 14. Juni 1950: Der Vorstand der Volkshochschule wurde neu gewählt. Den Vorsitz übernahm wieder Professor Dr. Rittig. Weiter gehören dem Vorstand an der Rektor der Universität, Ratsherr Professor Dr. Rosemann (Vorsitzender des städtischen Kulturausschusses) und Dr. Gentsch als Vertreter der Gewerkschaften. Durch die Neubesetzung des Vorstandes gewinnt der Rat der Stadt Göttingen stärkeren Einfluß auf die Gestaltung der Volkshochschule, für die der wesentliche finanzielle Aufwendungen macht.
- 15. Juni 1950: Das Denkmal für die Gefallenen des Krieges 1870/71 am Kreuzungspunkt der Goetheallee und der Bahnhofstraße wurde niedergelegt. Seit der krönende Bronzeadler während des letzten Krieges der Metallsammlung zum Opfer gefallen war, stellte das Denkmal nur noch einen unschöne Torso dar.
- 16. Juni 1950: Feinmechanikermeister August Fischer, der Obermeister der Feinmechaniker-Innung für den Regierungsbezirk Hildesheim und Landesfachgruppenleiter Feinmechanik des Landes Niedersachsen, starb unerwartet im Alter von 55 Jahren.
- 16. Juni 1950: Am Chiemsee verschied 65 jährig Professor Dr. phil., Dr. Ing. e.h. Arnold Eucken, Ordinarius der Physikalischen Chemie und Direktor des Institutes für Physikalische Chemie an der Universität Göttingen.
- 17. Juni 1950: Heute und morgen weilenden Bischof Godehard Machens und Weihbischof Johannes aus Hildesheim zur Spendung des Sakraments der Firmung in Göttingen.
- 18. Juni 1950: Eine schwedische Volkstanz- und Volksmusikgruppe besuchte Göttingen und tanzte mittags, herzlich von der Bevölkerung begrüßt, auf dem Marktplatz.
- 24. Juni 1950: Die in der Göttinger Chorgemeinschaft zusammengeschlossenen Chöre eröffneten heute mit einem Konzert im "Stadtpark" ihre diesjährige Chormusikwoche, die als Werbung für das deutsche Lied bis zum 2. Juli dauern soll. Die verschiedenen Chöre werden in dieser Zeit auf öffentlichen Plätzen singen.
- 25. Juni 1950: Mit Wirkung von heute wird auf den drei Hauptlinien des städtischen Kraftwagen-Verkehrs sonntags versuchsweise statt bisher erst mittags bereits morgens 8.55 Uhr der Verkehr aufgenommen.
- 26. Juni 1950: In der überfüllten Aula der Universität hielt der Hohe Französische Kommissar und einstige Botschafter in Berlin, François Poncet, einen Vortrag über Descartes, vom Rektor der Universität wie vom Niedersächsischen Kultusminister empfangen und begrüßt.
- 27. Juni 1950: Nach viermonatiger Pause begannen heute in den Ateliers der Filmaufbau-Gesellschaft wieder Film-Aufnahmen ("Korporal Mombour", nach der 1940/41 in einem Göttinger Lazarett entstandenen Novelle von Ernst Penzoldt).
- 27. Juni 1950: Für die vier östlich der Reinhäuser Landstraße geplanten neuen Straßen wählte der Rat aus Vorschlägen der Einwohnerschaft folgende aus: "Fritz-Reuter-Straße, Theodor-Storm-Straße, Heinrich-Sohnrey-Straße und Georg-Rott-Straßen".
- 29. Juni 1950: Landesbischof D. Dr. Lilje weilte heute in Göttingen.
- 29. Juni 1950: Eine Gruppe dänischer Pfadfinder hält sich für acht Tage in Göttingen auf und wurde von Stadtschulrat Buchheim als Vertreter des Oberbürgermeisters auf einem Begrüßungsabend willkommen beheißen.
Juli
- 2. Juli 1950: Mit George Bizets Oper "Carmen" schloß die Theater-Spielzeit 1949/50. Gleichzeitig endete mit ihr die künstlerisch bedeutende vierjährige Intendanz Fritz Lehmanns und einer wichtige Epoche Göttinger Theatergeschichte. Nach dem Beschluß des Rates soll künftig aus Sparsamkeitsgründen die Oper fortgefallen, nachdem gerade dieses Jahr die 30 jährige Wiederkehr ihrer Aufnahme in den laufenden Göttinger Spielplan gebracht hat. Die Stimmung in der Bevölkerung ist in dieser Frage des Ausfalls der Oper geteilt, doch sind gewichtige Stimmen vorhanden, die diese für das Theater einer Universitätsstadt für unentbehrlich halten, zumal Göttingen von jeher eine musikfrohe Stadt ist, und die Oper unter der künstlerischen Leitung des Intendanten Lehmann eine hier bisher unbekannte Höhe erreicht hatte. Im Februar und März dieses Jahres war versucht worden, durch Auslegung von Unterschriftenlisten die Erhaltung der Oper zu erreichen. Viele Tausende Göttinger haben sich in diese Listen eingetragen, ohne daß die Erhaltung des Opernspielplanes und Opernensembles ermöglicht werden konnte. In den beiden letzten Wochen der Spielzeit wurden - gewissermaßen als Abschluß - fast nur Opern gegeben, die ständig ausverkaufte Häuser erzielten. Der Beifall des Publikums war bei diesen Vorstellungen von demonstrativer Stärke, nach der heutigen "Carmen"-Aufführung dauerte der eine volle Stunde - etwas, das in der Göttinger Theatergeschichte bislang noch niemals sich ereignet hat!
- 5. Juli 1950: Die Personn-Mädchen-Mittelschule weihte ihr auf dem Lohberg gelegenes Waldheim ein. Die geldlichen Mittel kamen im vorbildlicher Opferfreudigkeit durch Schülervorstellungen und Kartenverkäufe zusammen, die erforderlichen 6000 Mauersteine hatten die Schülerinnen selbst auf den Lohberg gefahren.
- 8. Juli 1950: Heute und morgen fand unter der Schirmherrschaft des Bundesverkehrsministers Dr. Seebohm ein von der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Landesverband Niedersachsen und Bremen, veranstaltetes großes Sudetendeutsches Treffen in Göttingen statt, das Tausende von Fremden hierher führte, insgesamt nahmen 15.000 sudetendeutsche Heimatvertriebene an dem Treffen teil. Nach Arbeitstagungen und verschiedenen landsmannschaftlichen Heimatabenden, Festgottesdienst in der St. Michaelskirche und Empfang der Ehrengäste in der Rathaushalle, brachte der Sonntag den Höhepunkt in Gestalt eines imposanten Festzuges und einer Großkundgebung auf dem Schützenplatz, bei der auch Bundesminister Dr. Seebohm sprach. In Korea wütet seit einiger Zeit ein Krieg zwischen kommunistischen nordkoreanischen und südkoreanischen, von den Vereinigten Staaten von Nordamerika und den Vereinigten Nationen unterstützten Truppen. Die Möglichkeit eines übertragenen Übergreifens dieses Konfliktes zwischen Sowjet-Rußland samt den von ihm beeinflußten Ländern und den Weststaaten mit ihren Verbündeten auf Europa wird vielfach diskutiert. Überängstliche und hysterische Personen glauben sogar, es könne zu einem Einmarsch sowjetischer Truppen aus der benachbarten russischen Besatzungszone nach Göttingen kommen. Die Folge solcher völlig sinnloser Ansichten sind allerlei Panikgerüchte, die in der Stadt laut werden und Angstkäufe. Von manchen wird schon wieder "gehamster". Vor einigen Geschäften gab es auch schon wieder "Schlangen" anstehender Hausfrauen. Gewisse Lebensmittel, wie Zucker und Öl, waren daher bald ausverkaufte, so daß einzelne Kaufleute dazu übergingen, sollte Waren nur mehr an Kunden auszugeben. In den Zeitungen wurden diese vollkommen unbegründeten und unsinnigen Gerüchte und Käufe mit Recht als "grober Unfug" gebrandmarkt.
- 13. Juli 1950: Die Feuerwache II der Berufsfeuerwehr (insbesondere Krankentransport und Unfalldienst) ist von Reinhäuser Landstraße 2 in die ehemalige Langemarck-Kaserne in der Geismar Landstraße verlegt worden. Dort bieten die großen Gebäude und Garagen geeignetere Unterbringung für den zahlreichen Wagenpark. Später sollen auch die Fahrzeuge der Wache I am Ritterplan hierher verlegt werden.
- 14. Juli 1950: Die Felix-Klein-Oberschule beging vom 14. bis 16. Juli ihr 60 jähriges Bestehen durch verschiedene Veranstaltungen. Das 25 jährige Jubiläum konnte wegen des Ersten, das 50 jährige (1940) wegen des Zweiten Weltkrieges nicht gefeiert werden. Daher nahm man die 60. Wiederkehr der Gründung zum Anlaß des Gedenkens. Eine große Zahl ehemaliger Lehrer und Schüler hatten sich dazu eingefunden. Die Staats- und Universitäts-Bibliothek ist mit einer Million Bände die größte wissenschaftliche Bibliothek der westdeutschen Bundesrepublik. Sie hat aber in schwerster Weise finanziell zu kämpfen. Der Vermehrungsetat, von dem auch noch die Buchbinderarbeiten zu bestreiten sein sollen, ist vom Niedersächsischen Landtag auf ganze 50.000 DM festgesetzt worden. Für die Städtische Bücherei in Göttingen mit 20.000 Bänden beträgt der gleiche Etatposten 30.000 DM! Angesichts eines solchen, die weitere fruchtbringende Existenz des Instituts völlig in Zweifel stellenden Etats hat der Direktor, Professor Dr. Dr. Hartmann, sein Amt zur Verfügung gestellt. Der Rat beschloß den städtischen Haushaltsplan 1950. Trotz aller Sorgfalt ist es nicht möglich gewesen, ihn in Einnahme und Ausgabe auszugleichen, es wird etwa eine Million DM Defizit entstehen. Den städtischen Dienststellen ist daher allerstrengste Sparsamkeit anbefohlen worden.
- 15. Juli 1950: Im Garten der "Kammerspiele", Hospitalstraße 1, ist heute ein Freilichtkino mit 600 Plätzen eröffnet worden, das erste in Westdeutschland.
Der Sportbund Niedersachsen, Fachverband Leichtathletik, trug am 15. und 16. Juli hier die Niedersächsischen Jugend-Leichtathletik-Meisterschaften aus.
- 16. Juli 1950: Das Max-Planck-Institut für Strömungsforschung beging in einer Feier das 25 jährige Bestehen. Der Festakt fand - symbolisch - in der leeren Halle des einstigen, 1945 auf Befehl der Besatzungsmächte demontierten großen Windkanals statt. Nach dem üblichen Kommers am Vorabend begann heute Nachmittag mit einem großen Umzug das traditionelle Schützenfest, dem sich in der folgenden Woche das althergebrachte Volksfest anschließen wird. Die Besatzungsbehörde hat kurz vor dem Fest das Schießen mit Kleinkalibern wieder erlaubt, so daß von jetzt ab nicht mehr, wie bisher nach 1945, mit der Armbrust geschossen zu werden braucht.
- 17. Juli 1950: Ratsherr Ellermeier (früher Kommunistische Partei Deutschlands, seit seinem Ausschluß aus der Partei unabhängig) hat sein Mandat niedergelegt. Der Rat beschloß, das Haus Nikolausberger Weg 22/24 anzukaufen und es durch kleinere Umbauten zu einer sechsklassigen Volksschule umzubauen. Dadurch soll die stark überbelegte Albanischule erneut entlastet werden.
- 18. Juli 1950: 700 Studenten brachten dem verdienten Chirurgen, Professor Dr. Stich, am Vorabend seines 75. Geburtstages nach altem akademischem Brauch einen Fackelzug.
- 19. Juli 1950: Heute Nachmittag wurde auf dem "Schützenhof" der neue Schützenkönig ausgerufen: Kaufmann Wilhelm Heise. Bei den Ausschachtungsarbeiten für die unterirdische Bedürfnisanstalt sowie ein unterirdisches Elektrizitäts-Umschaltwerk zwischen Rathaus und St. Johanniskirche ist außer einer großen Zahl von Begräbnisstätten des einstigen Johanniskirchhofs - zum Teil in mehreren Lagen übereinander - die ursprüngliche Friedhofsmauer, bei den Ausschachtungsarbeiten zum Neubau der künftigen Ladenstraße auf dem Grundstück des bisherigen Hotels "Zur Krone" zwischen Weender und Gotmarstraße sind mittelalterliche Gefäße gefunden worden. Der alte, zumal im früheren Göttinger Studentenleben bedeutende und weithin berühmte Ausflugsort Mariaspring bei Bovenden, neuerdings wiederhergestellt, feierte sein 150 jähriges Bestehen.
- 22. Juli 1950: Im ehemaligen Geschäftshaus Gräfenberg, Weender Straße 19, eröffnete die große Kasseler Bekleidungsfirma Hettlage ein Göttinger Unternehmen.
- 23. Juli 1950: Mit einem feierlichen, durch die Darbietung der Bach-Kantate Nr. 187 bereicherten Festgottesdienst in der überfüllten St. Johanniskirche, bei dem der derzeitige Rektor der Universität, Professor Dr. Trillhaas, Liturgie und Predigt hielt, wurden die Veranstaltungen des Westdeutschen Bach-Festes 1950 eingeleitet. Der Anlaß dieses Festes ist die 200. Wiederkehr des Todestages Johann Sebastian Bachs am 28. Juli. Die durch die politischen Verhältnisse der Nachkriegszeit geschaffene Zerreißung Deutschlands in einen Ost- und einen West-Teil hat sehr bedauerlicherweise die Abhaltung eines allgemein-deutschen Bachfestes in Leipzig unmöglich gemacht. So wird daher in Leipzig eine von der Regierung der Deutschen Demokratischen Volksrepublik inaugurierte große Feier, für den Bereich der Deutschen Bundesrepublik aber eine ebenfalls repräsentative Veranstaltung in Göttingen stattfinden. Bundespräsident Professor Dr. Theodor Heuss, hat die Schirmherrschaft über das Göttinger Bach-Fest übernommen, wodurch die Bedeutung des Festes dokumentiert ist. Die Wahl unserer Stadt erfolgte nicht zuletzt in Hinsicht darauf, das hier in Generalmusikdirektor Fritz Lehmann einer der hervorragensten deutschen Bach-Interpreten zur Verfügung steht. An den Festgottesdienst schloß sich in der Rathaushalle die offizielle Begrüßung der geladenen Gäste durch Oberbürgermeister Föge namens der Stadt und Ministerpräsident Kopf für das Land Niedersachsen an. Der Herr Bundespräsident hatte aus seinem Schweizer Ferienaufenthalt ein warmherziges Begrüßungstelegramm gesandt. Vizekanzler Blücher eröffnete im Namen und Auftrag des Bundespräsident sodann das Westdeutsche Bach-Fest Göttingen 1950 mit einer längeren Ansprache. Von ausländischen Ehrengästen sind vor allem zu nennen: Botschafter Davids von der kanadischen, Gesandter Kumlin von der schwedischen, Attaché Gerard von der belgischen Mission in Bonn, Herr Akses als Vertreter des türkischen Kultusministers und Mr. Biehl, der Beobachter des amerikanischen Hohen Kommissars in Niedersachsen. Der feierlichen Eröffnung des Bach-Festes in der Rathaushalle folgte eine Besichtigung der von Erstem Bibliotheksrat Dr. Luther unter großen Schwierigkeiten zusammengestellten Ausstellung im Kunstmuseum der Universität am Theaterplatz. Diese Ausstellung bietet eine insgesamt 545 Nummern umfassende Schau von Bach-Dokumenten aller Art aus deutschen wie ausländischen Bibliotheken, Archiven, Kunstsammlungen und Privatbesitz und repräsentiert, zumal in den zahlreichen Autographen, einen großen wissenschaftlichen Wert. Der Nachmittag brachte in der Aula der Universität das Festliche Eröffnungskonzert, der Abend in St. Marien ein Orgelkonzert. Eine Versammlung der Neuen Bach-Gesellschaft, Vorträge "Bachs Kunst in der Entwicklung des abendländischen Geistes" (Professor Dr. Gerber-Göttingen), "Johann Sebastian Bach und der Gottesdienst seiner Zeit" (Oberlandeskirchenrat Dr. Mahrenholz-Hannover), "Der weltliche Bach" (Professor D. Smend-Berlin), "Johann Sebastian Bach - der Kantor" (Professor Dr. Gurlitt-Freiburg), eine Gedenkfeier in St. Johannis am Todestag des Meisters (Gedenkrede: Landesbischof D. Dr. Lilje-Hannover) waren an den folgenden Tagen umrahmt von Motetten und Orgelkonzerten in der Marienkirche, Kammermusiken in der Aula, einer Aufführung der Orgelmesse wie zweien der Hohen Messe in St. Johannis. Am Sonntag dem 30. Juli predigte im Festgottesdienst in der Johanniskirche Landesbischof Erdmann-Braunschweig. Namhafte Solisten aus Deutschland und dem Ausland waren die Ausführenden, die künstlerische Gesamtleitung hatte Generalmusikdirektor Fritz Lehmann-Göttingen. Aus allen Teilen der Bundesrepublik waren zahlreiche Gäste gekommen. Das Straßenbild Göttingens war während der ganzen Woche durch die vielen Fremden bestimmt, die allabendlichen Anstrahlungen des Rathauses wie der Türme von St. Johannis und St. Jacobi trugen nicht zuletzt dazu bei, der Stadt ein festliches Gepräge zu geben. Professor Dr. Martius, Direktor der Universitäts-Frauenklinik, ist von der Spanischen Gynäkologischen Gesellschaft in Mattiat sowie von der Sociedade Brasileira de Ginecologia in Rio de Janeiro zum Ehrenmitglied gewählt worden.
- 26. Juli 1950: In der Jahreshauptversammlung des Göttinger Universitätsbundes wurde der Rücktritt des bisherigen Vorsitzenden, Professor Dr. Nohl, bekannt gemacht. Den Vorsitz übernimmt nunmehr Professor Dr. Raiser, derzeitiger Prorektor der Georgia Augusta.
Im Berichtsjahr 1949/50 wurden von Göttinger Professoren in Osnabrück, Celle und Lüneburg "Universitätswochen" veranstaltet, deren Hörerzahl sich auf rund 30.000 Personen belief. Die wirtschaftliche Lage des Universitätsbundes ist sehr schwierig, da die früher reichen Spenden von Städten, Industriellen und von anderen Stellen im niedersächsischen Raum heute fast ganz fortgefallen sind. Im Wesentlichen ist der Universitätsbund heute auf die Einnahmen aus den Beiträgen seiner Mitglieder angewiesen, konnte aber dennoch mehrere wissenschaftliche Institute geldlich fördern. Der Weltkongreß der Musikbibliotheken wählte Dr. Wilhelm Martin Luther, Ersten Bibliotheksrat an der Niedersächsischen Staats- und Universitäts-Bibliothek Göttingen, als Vertreter Deutschlands in den vorläufigen Vorstand.
- 29. Juli 1950:Im Sitzungssaal des Rathauses hielt der Kulturausschuß des Deutschen Städtetages eine Sitzung ab.
August
- 1. August 1950: Die Abrechnungen des Westdeutschen Bach-Festes haben folgende Ergebnisse gezeitigt: Die Gesamtzahl der Besucher aller Veranstaltungen betrug 25.295 Personen. Vollabonnements wurden 840 ausgegeben, davon an Auswärtige 540. Einzelkarten sind 5162 verausgabt, davon an Auswärtige 1727. Alle Veranstaltungen waren völlig ausverkauft. Allein an den beiden Aufführungen der h moll-Messe nahmen 4000 Besucher teil. Unter den fremden Gästen befanden sich 141 Ausländer aus England, Amerika, Norwegen, Holland, Schweiz, Italien, Türkei, Schweden, Dänemark, Finnland, Afrika und Indonesien.
- 3. August 1950: Auf einer Reise durch Deutschland besuchte eine Studiengesellschaft südamerikanischer Ärzte und ein indischer Professor heute die Göttinger Universitäts-Frauenklinik. Oberbürgermeister Föge begrüßte die Gäste bei einem Empfang im Ratskeller.
- 6. August 1950: Überall in der Bundesrepublik wurde heute der "Tag der Heimat" begangen, der für die durch Krieg und Kriegsausgang aus ihrer Heimat Vertriebenen ein Tag des Gedenkens und für die Einheimischen ein Tag der Verbundenheit mit den Vertriebenen sein soll. In Göttingen zogen vormittags die einzelnen Landsmannschaften vom Auditorium aus durch die Stadt zum Theaterplatz vor der Albanikirche, wo eine große, von vielen Tausenden besuchte Kundgebung stattfand. Anschließend war in der St. Jacobikirche evangelischer und in der St. Pauluskirche katholischer Gottesdienst, bei denen heimatvertriebene Pfarrer predigten. Der Nachmittag war Einzelveranstaltungen der Landsmannschaften gewidmet.
- 21. August 1950: Die Filmtheaterbesitzer der Bezüge Braunschweig, Hildesheim und Göttingen hielten hier eine Arbeitstagung ab.
- 23. August 1950: Vom 23. bis 26. August fand die 28. Tagung der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft in Göttingen statt.
- 24. August 1950: Der Britische Resident-Offizier von Göttingen-Stadt und Land, Mr. Evans, ist als Principal Control Officer nach München versetzt worden. Brigadier Kenchington, der früher bereits in Göttingen amtierte, wird als Nachfolger Mr. Evans hierher zurückkehren.
- 26. August 1950: Um den Wünschen weiter evangelischer Kreise entgegenzukommen, wird von jetzt ab die St. Johanniskirche täglich von 8 bis 12 und von 16 bis 18 Uhr zur stillen Andacht geöffnet sein.
- 30. August 1950: Heute Mittag wurde Göttingen auf der großen Deutschland-Radrundfahrt 1950 durchfahren. Die Fahrer kamen von Kassel und fuhren von hier über den Harz nach Einbeck weiter. Aus Anlaß dieses Ereignisses fiel in sämtlichen Göttinger Schulen von 11.30 Uhr ab der Unterricht aus. Auf der Reinhäuser Landstraße, der Kurzen- und Langen Geismarstraße, der Weender und Weender Landstraße und im Luttertal, vor allem aber in der Innenstadt, standen die Zuschauer dicht gedrängt.
September
- 2. September 1950: Nach 17 jähriger Pause nahm heute der Göttinger Automobil-Club die Tradition der Hainberg-Rennen wieder auf. Es fand zunächst - wie im Vorjahr - wieder ein Kinder-Rennen mit selbstgebauten Wagen statt (volkstümlich "Seifenkisten-Rennen" benannt). Dann aber auch ein Geschicklichkeits-Wettbewerb für Motorräder und Wagen.
- 9. September 1950: Die Gesellschaft der Freunde Wilhelm Raabes hielt am 9. und 10. September hier ihre Jahreshauptversammlung 1950 ab.
- 12. September 1950: Eine größere Anzahl engagementloser Künstler (zumeist frühere Mitglieder des Theaters der Stadt Göttingen) hat sich zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen, um im "Stadtpark-Saal" Operetten und kleinere Opern-Aufführungen zu bringen. Die Gemeinschaft nennt sich "Göttinger Opern- und Operetten-Theater" und eröffnete ihre Spielzeit heute mit der Operette "Saison in Salzburg" von Fred Raymond. Die Aufführungen finden nicht täglich, sondern nur von Zeit zu Zeit statt.
- 15. September 1950: Nach üblichem Brauch wurde heute das Richtefest des Hauses für den Göttinger Rundfunksender bei Nikolausberg begangen, der voraussichtlich im Dezember seine Tätigkeit aufnehmen wird.
- 16. September 1950: In einer Eröffnungsfeier übergab Oberbürgermeister Föge das von Heinz Hilpert geleitete "Deutsche Theater in Göttingen" der neu gegründeten Theatergesellschaft. Das "Deutsche Theater" tritt hier an die Stelle des bisherigen städtischen Theaters. Zu der Feier hatten sich prominente Gäste eingefunden, an ihre Spitze der Niedersächsische Kultusminister Voigt, der auch das Wort ergriff. Das "Deutsche Theater" wird vornehmlich das Schauspiel pflegen, für die Oper sollen die Bühnen von Kassel und Hannover zu Gastspielen verpflichtet werden.
- 18. September 1950: Am 18. und 19. September traten baltische Historiker zum 3. baltischen Historikertreffen in Göttingen zusammen. Nachdem schon im August Göttinger Schneider bei einem Wettbewerb in Köln sehr erfolgreich abgeschnitten hatten, erhielt jetzt auf der Ausstellung anläßlich des Internationalen Kongresses der Schuh- und Lederwirtschaft in Zürich die Göttinger Schuhmacher-Fachschule einen "Grand Prix". Das Bassin der früheren Badeanstalt im Leinekanal an der Bürgerstraße ist jetzt zugeschüttet worden.
- 26. September 1950: Etwa 600 ehemalige Schülerinnen der Städtischen Oberschule für Mädchen und ihrer Vorläufer fanden sich bei einem Schulfest zur Gründung eines Bundes ehemaliger Schülerinnen zusammen.
- 30. September 1950: Der Dezernent des Städtischen Betriebsamtes, des Wirtschafts- und Ernährungsamtes und des Schlachthofes, Fethke, schied mit dem heutigen Tag aus dem Dienst der Stadt Göttingen. Am 30. September und 1. Oktober hielt die Freie Demokratische Partei ihren Landesparteitag Niedersachsen in Göttingen ab.
Oktober
- 1. Oktober 1950: Unter der Leitung von Professor D. Stange-Göttingen fand vom 1. bis 8. Oktober hier die 17. Hochschultagung der Luther-Akademie (Sondershausen) statt, an der eine große Anzahl ausländischer lutherischer Theologen teilnahm. Das "Deutsche Theater" brachte die Uraufführung des musikalischen Lustspiels "Die Liebesschule" von Ralph Bernatzky in Gegenwart des Komponisten.
- 2. Oktober 1950: Mit dem traditionellen Frühgottesdienst in St. Johannis (der sogenannten "Regimentspredigt"), dem Empfang der neugewählten Obermeister durch die Stadt in der Rathaushalle, Versammlungen der einzelnen Innungen und einem festlichen Abend im "Stadtpark" beging das Göttinger Handwerk seinen alten Gildewahl-Tag. Vom 2. bis 5. Oktober veranstaltete die Theologische Fakultät der Georg-August-Universität einen theologischen Ferienkursus, der von Pfarrern aus ganz Deutschland (auch der Ostzone) besucht war.
- 4. Oktober 1950: Die Wirtschaftsoberschule der Handelslehranstalten unternahm vom 4. bis 8. Oktober eine Studienreise nach Paris.
- 5. Oktober 1950: In Begleitung zweier Lehrerinnen traten die Schülerinnen der Klasse 11 b der Oberschule für Mädchen eine Reise nach England an. Das Reiseziel ist Chesterfield. Eine Klasse der St. Helenenschule dort war vor einigen Wochen für länger in Göttingen. Nun erwidern die Göttinger den Besuch.
- 6. Oktober 1950: Der Rat der Stadt Göttingen gab in der heutigen Sitzung eine von allen Parteien mit Ausnahme des kommunistischen Ratsherrn gebilligte Erklärung ab gegen die in der sowjetischen Besatzungszone (der Deutschen Demokratischen Republik) für den 15. Oktober angesetzten Wahlen, weil diese Wahlen nicht nach freien demokratischen Grundsätzen gehandhabt werden.
- 7. Oktober 1950: Als dritte der großen Göttinger kirchlichen Tagungen dieses Herbstes hielt der Evangelische Bund - Arbeitswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland - vom 7. bis 11. Oktober seine 43. Generalversammlung hier ab. Als erstes Operngastspiel im "Deutschen Theater" brachte das Staatstheater Kassel Richard Wagnerstraße "Lohengrin" vor ausverkauftem Haus.
- 9. Oktober 1950: Professor Dr. Nicolai Hartmann, einer der bedeutendsten Philosophen im gegenwärtigen Deutschland, seit 1945 an der Göttinger Universität lehrend, starb heute kurz nach seiner Emeritierung.
- 15. Oktober 1950: Die Bundesbahn eröffnete heute eine Autobuslinie Göttingen-Holzminden-Höxter über Adelebsen, Uslar, Schönhagen, Neuhaus. Die Fahrtdauer beträgt 2½ Stunden. Mit einer Veranstaltung im "Stern-Theater", bei der als Vertreter des Kultusministeriums Oberregierungsrat Alfken-Hannover die Eröffnungsrede hielt, begann die Volkshochschule ihr Wintersemester 1950/51, das sehr gut belegt ist.
- 16. Oktober 1950: Im Landgerichtsgebäude vereinigten sich die Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Referendare des Landgerichtsbezirks Göttingen zum 6. Göttinger Juristentag.
- 17. Oktober 1950: Der Göttinger Händelchor, dessen Weiterbestehen durch das Ausscheiden seiner bisherigen Dirigenten Fritz Lehmann und Karl Egon Glückselig bedroht war, hielt seine erste Probe wieder ab. Die traditionelle Verbindung mit dem Göttinger Theater bleibt insofern gewahrt, daß der musikalische Leiter des "Deutschen Theaters", Günther Weißenborn, die Leitung übernommen hat. Dadurch bleibt der Stadt Göttingen der einzige für große musikalische Aufführungen qualifizierte Chor erhalten.
- 22. Oktober 1950: Wie in der gesamten Bundesrepublik, so wurde auch in Göttingen heute der "Tag des Roten Kreuzes" begangen durch Straßen- und Haus-Sammlungen. Auf dem Marktplatz zeigten die Radsportvereine Paarfahren und Radspiele, die Ostdeutsche Jugend führte Volkstänze auf, und Filmschauspieler gaben zum Besten der Sammlung Autogramme.
- 23. Oktober 1950: Auf einer Versammlung der Industrie- und Handelskammer für Südhannover sprach im "Stadtpark" Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm über das Thema: "Deutsche und europäische Verkehrs- und Wirtschaftspolitik".
- 24. Oktober 1950: Zwischen der Stadt und dem Landkreis Göttingen ist eine Differenz ausgebrochen wegen der Höhe des vom Landkreis zu den städtischen Schullasten zu leistenden Zuschusses. Derzeit besuchen insgesamt 871 Kinder aus dem Landkreis mittlere und höhere Schulen der Stadt Göttingen (421 Mittelschulen, 252 Oberschule für Jungen, 165 Oberschule für Mädchen, 33 Berufsfachschule). Nach dem Gesetz über die Einführung eines Gastschulbeitrages steht der Stadt das Recht zu, 75 vom Hundert ihrer Schul-Unterhaltungskosten zu erheben. Dies würde für den Landkreis eine Summe von 172.000 DM ausmachen. In der heutigen Sitzung des Kreistages erklärten alle Parteien einheitlich, die Zahlung einer solchen Summe sei angesichts der äußerst angespannten Finanzlage des Kreises unmöglich zu sein. Der Kreis hat bereits dem Regierungspräsidenten in Hildesheim Mitteilung von der Unmöglichkeit der Erfüllung der städtischen Forderung gemacht und will weitere Schritte unternehmen. Die Stadt andererseits will auf ihrer Forderung beharren, so daß es voraussichtlich zu einem Schiedsgerichtsverfahren kommen wird. Landrat Fahlbusch wurde in der heutigen Kreistages-Sitzung zum vierten Mal einstimmig wiedergewählt.
- 26. Oktober 1950: Die Deutsche Bundesrepublik beging heute den "Tag der deutschen Kriegsgefangenen", der den noch immer in fremder Gefangenschaft lebenden Deutschen gewidmet war, vornehmlich den hunderttausenden, die noch in der Sowjetunion zurückgehalten werden. Um 12 Uhr mittags läuteten alle Kirchenglocken, und es trat eine Verkehrstille von zwei Minuten ein. Am Abend vorher hatte im "Stadtpark" eine Kundgebung stattgefunden, bei der unter anderen Redner auch Oberbürgermeister Föge gesprochen hatte.
- 27. Oktober 1950: Die Zuspitzung der politischen Lage hat die westlichen Staaten (Nordamerika, Großbritannien und Frankreich) veranlaßt, die Besatzungstruppen in der Deutschen Bundesrepublik zu verstärken. Im Rahmen dieser Maßnahmen hat auch Göttingen wieder eine britische Besatzungstruppe erhalten, die in der ehemaligen Zietenkaserne auf den Lohberg untergebracht wird. Heute Abend traf das als Göttinger Besatzung bestimmte 1. Bataillon The Royal Irish Fusiliers hier ein. Das im Jahre 1948 gegründete Evangelische Krankenhaus auf dem Rohns ist in Teilen der einstigen Artillerie-Kaserne in Weender verlegt worden. Leitende Ärzte des neuen Krankenhauses sind die Professoren Herlyn und Ewig, die Verwaltung leitet Dr. von Eickstedt.
- 28. Oktober 1950: Kurz vor Vollendung seinen 70. Lebensjahres starb Kaufmann Erich Brand, Inhaber der alten Göttinger Firma Louis Brand. Der Verstorbene war in den Jahren 1924 bis 1933 Bürgervorsteher, seit 1930 (wie sein Vater Louis Brand) Wortführer und hat sich als solcher um die Stadt Göttingen große Verdienste erworben. Er hat stets die Idee der Selbstverwaltung gegenüber autoritären Tendenzen vertreten und nicht zuletzt durch seine bei aller sachlichen Bestimmtheit persönlich vermittelnde Art segensreich gewirkt.
November
- 1. November 1950: Landesgerichtsdirektor Dr. Robert Fischer, Vorsitzender der 1. Strafkammer und ständiger Vertreter des Landgerichtspräsidenten, wurde zum Bundesrichter am Obersten Bundesgerichtshof im Karlsruhe ernannt. Dr. Fischer war in Göttingen auch als Universitätsrat und Universitätsrichter tätig gewesen.
- 3. November 1950: Das "Deutsche Theater" brachte in Gegenwart des Dichters heute Carl Zuckmayers Drama "Der Gesang im Feuerofen" zur Uraufführung. Das Stück behandelt die französische Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg.
- 5. November 1950: In der Niedersächsischen Staats- und Universitäts-Bibliothek wurde in Anwesenheit französischer Gäste eine von der Akademischen Buchhandlung Calvör in Gemeinschaft mit der Regie Autonome des Publications Officielles in Baden-Baden zusammengestellte Ausstellung französischer Bücher eröffnet. Die Ansprachen deutscher wie französischer Professoren hoben die völkerverbindende Macht des Buches hervor.
- 7. November 1950: Bundesminister a. D. Dr. Heinemann, der vor Kurzem von seinem Amt wegen Differenzen mit dem Bundeskanzler in der Frage einer etwaigen Wiederaufrüstung der Deutschen Bundesrepublik zurückgetreten war, sprach in einer vom Bund Demokratischer Studenten veranstalteten Versammlung zur Frage einer Beteiligung Westdeutschlands an einer europäischen Armee. Das im Jahre 1900 aus Anlaß des 100 jährigen Bestehens der Bankfirma Klettwig und Reibstein gestiftete, bei dem Bombenangriff vom 24. November 1944 stark geschädigte große künstlerische Glasfenster im Sitzungssaal des Rathauses ist von der Firma Mühlenbein in Hannover wieder instandgesetzt worden. Für die neue britische Besatzung wurde das Haus Reinhäuser Landstraße 10 zum Soldatenheim bestimmt. In diesem Haus war bis zum Zusammenbruch 1945 die Kreisleitung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter Partei und später die englische Dienststelle der Public Safety wie die Geschäftsräume des Polizeikreises Göttingen-Land untergebracht.
- 11. November 1950: Vor zwei Jahren schenkte Frau Dr. Lise Amrhein ihr Haus Keplerstraße 14 der Stadt Göttingen mit der Bestimmung, darin ein Altersheim zu errichten. Diese Verpflichtung hat die Stadt jetzt eingelöst. Das Heim bietet für 24 alte Damen Unterkunft und wurde heute mit einer kleinen Feier als städtisches Altersheim eröffnet. Zur dankbaren Erinnerung an die hochherzige, im Heim noch lebende Dame erhielt es den Namen "Haus Lise Amrhein". Die Freiwillige Feuerwehr, die neben der städtischen Berufsfeuerwehr noch besteht und bei großen Bränden zur Verstärkung herangezogen wird, bezog mit ihren Motorzügen ihr neues Depot in der früheren Langemarck-Kaserne den der Geismar-Landstraße.
- 13. November 1950: Die im Studentenhaus, Wilhelmsplatz 2, seit Jahren eingerichtete akademische Mensa ist derart überfüllt, daß auf dem Grundstück Bunsenstraße 13/15 eine Zweigstelle eingerichtet werden mußte, die den Namen "Mensula" trägt und heute in Betrieb genommen worden ist. Auf der Synode des Bundes evangelisch-reformierter Kirchen Deutschlands wurde der Seelsorger der hiesigen reformierten Gemeinde, Pastor Kamlah, wieder einstimmig zum Präses des Bundes gewählt. Pastor Kamlah hat dieses Amt seit 1929 inne. In dieser Eigenschaft vertritt der die reformierte Kirche Deutschlands in der Konferenz der "Evangelischen Kirche in Deutschland".
- 15. November 1950: Im Rahmen der politisch-historischen Vorlesungsreihe für Hörer aller Fakultäten sprach in der Aula der Dichter Carl Zuckmayer über das Thema: "Theater und Jugend".
- 17. November 1950: Aus Anlaß der Sitzung des Europarates, der über die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa zu beraten hat, bei dessen Verhandlungen aber sich immer neue Schwierigkeiten ergeben, sind aus verschiedenen europäischen Ländern, auch aus Deutschland, 5000 für den Europa-Gedanken begeisterte junge Menschen nach Straßburg gefahren, um dort in einer großen Demonstration für den Gedanken eines vereinten Europas zu werben. Aus Göttingen nahmen 40 Vertreter teil (Studenten, Lehrlinge, Schüler). Während der Straßburger Tage wehte auf dem Göttinger Rathaus die Fahne der Europa-Bewegung: auf weißem Grund ein großes grünes "E". Auch an anderen Stellen in der Stadt waren Europa-Fahnen zu sehen.
- 18. November 1950: Die Georg-August-Universität nahmen heute die feierliche Immatrikulation der neuen Studenten des Winter-Semester 1950/51 vor. Der dringend erforderliche Rückgang der Zahl der Studierenden macht sich jetzt bemerkbar: während im Wintersemester 1949/50 noch 997 Neuimmatrikulierte verpflichtet wurden, waren es jetzt nur 619. In diese Zahl einbegriffen sind 22 Ausländer und 215 erste Semester.
- 19. November 1950: Nach drei Monaten gründlicher baulicher Erneuerung der Marienkirche weiter Landessuperintendent Wiebe-Northeim heute in feierlichem Visitationsgottesdienst das Gotteshaus wieder. Neben bautechnischen Sicherungen ist vor allem die lichte Gestaltung des Innenraumes bemerkenswert. Die Bauleistung hatte Professor Dietz Brandi. Von der Regierung sind erhebliche Mittel für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt worden. Die bisher gezahlten drei Raten waren für den sozialen Wohnungsbau durch Genossenschaften bestimmt. Die vierte, für den privaten Sektor des sozialen Wohnungsbaus vorgesehene Rate ist leider gestrichen worden. Dadurch erfährt der in Anbetracht der großen Wohnungsnot dringend notwendige Fortgang des Wohnungsbaus einer unliebsame Störung.
- 27. November 1950: Zwischen der Stadtverwaltung und den Göttinger Brau- und Kotbürgern (Besitzern von über 400 brauberechtigten und über 500 Kothäusern) ist eine Differenz um die jahrhundertealten Holzberechtigungen ausgebrochen. Auf Grund dieser alten Rechte steht jedem Bürger je Anteil jährlich 2½ Raummeter Holz aus den städtischen Waldungen zu. Im Jahre 1937 ist dieses Recht durch eine Notverordnung aufgehoben worden. Die Holzberechtigten wollen jetzt ihr altes Recht wiedererlangen und fordern es von der Stadtverwaltung, auch mit Wirkung bis 1937 zurück. Die Stadt lehnt diese Forderungen als unberechtigt ab. In einer Versammlung wurde heute von den Holzberechtigten ein Ausschuß gebildet, der die erforderlichen Verhandlungen mit der Stadt führen soll. Man ist entschlossen, die Forderungen unter allen Umständen durchzukämpfen.
- 28. November 1950: Im Haus Sültebeckbreite 10 erschoß heute Abend der 21 jährige kaufmännische Lehrling Hans-Joachim Handbruch aus Eifersucht seine Geliebte, die 26 jährige Witwe Kamnitz in Gegenwart des kleinen Kindes der Frau. Der Täter erschoß sich nach der Tat selbst. Der neu hier stationierten britischen Besatzungseinheit ist der Universitäts-Sportplatz zur Verfügung gestellt worden. Auch die beiden Sportvereine ("Göttingen 05" und "Spiel-Vereinigung Göttingen" -SVG-) haben in sportkameradschaftlicher Verbundenheit sich erklärt, ihre Plätze von Zeit zu Zeit zu überlassen.
Dezember
- 2. Dezember 1950: Im vorigen Jahr gründeten engagementlose Schauspieler in einem Privathaus auf dem Hohen Weg ein Zimmertheater, das im Sommer dieses Jahres seine Spielzeit beendet. Jetzt haben andere Künstler (ebenfalls zumeist einstige Mitglieder des früheren Theaters der Stadt Göttingen) im Haus Wilhelm-Weber-Straße 26-30 wieder eine eigene Bühne errichtete, das "Intime Theater". Es wurde heute mit dem Schauspiel "Die Vergessenen" von Ernst Nebhut eröffnet. Diese finanziell völlig auf sich gestellte neue Bühne wird vornehmlich das moderne Schauspiel pflegen. Göttingen besitzt jetzt also nicht weniger als drei Theater.
- 8. Dezember 1950: Stadtingenieur Wilhelm Steinhörster kann heute auf eine 40 jährige Tätigkeit im öffentlichen Dienst zurückblicken. Die Stadtverwaltung ehrte ihn durch Überreichung einer Jubiläumsurkunde.
- 13. Dezember 1950: Heute Abend um 18 Uhr ist der Sender Göttingen des Nordwestdeutschen Rundfunks bei Nikolausberg versuchsweise in Betrieb genommen worden. Der sendet auf der Wellenlänge 202 m (Mittelwelle), vorerst nur zwei Stunden täglich, von 18 bis 20 Uhr.
- 15. Dezember 1950: In der heutigen Ratssitzung wurden für das Jahr 1951 Oberbürgermeister Föge als Oberbürgermeister, Bürgermeister Kraft als erster und Ratsherr Berg als zweiter Stellvertreter des Oberbürgermeisters wiedergewählt.
In der gleichen Sitzung wählte der Rat Oberschulrat Dr. Schauer-Hannover zum Oberstudiendirektor der Felix-Klein-Oberschule. Dr. Schauer war seit 1945 im Niedersächsischen Kultusministerium tätig, gleichzeitig von 1945 bis 1948 Sekretär des Zonenerziehungsrates und seit 1947 Vorsitzender des wissenschaftlichen Prüfungsamtes für das Lehramt an höheren Schulen für die Universität Göttingen und die Technischen Hochschulen Braunschweig und Hannover. Der wird dieses letztere Amt beibehalten.
Der in ganz Deutschland mit großer Aufmerksamkeit verfolgte Prozeß vor dem Göttinger Landgericht gegen den früheren Wolfenbütteler Gefängnisdirektor, Regierungsrat Dr. Wilimzig, ging heute zuende. Wilimzig war als ehemaliger Lagerleiter der vielfachen schweren Mißhandlung deutscher Kriegsgefangener im Lager Sysran (Rußland) angeklagt. Während der sechswöchigen Dauer des Prozesses sind 127 Zeugen vernommen worden. Die Urteilsbegründung dauerte 4½ Stunden, das Urteil lautete auf 4 Jahre 6 Monate Gefängnis bei Abrechnung der Untersuchungshaft sowie auf Tragung der Kosten des Verfahrens.
- 16. Dezember 1950: Der Göttinger Sender dehnt von heute ab seine Tätigkeit täglich von 17 bis 22.30 Uhr aus.
Im Alter von 73 Jahren verschied nach langem Leiden der frühere Schauspieler Carl Juhnke, der 23 Jahre in den Chargen des Helden- und bürgerlichen Vaters ein hochgeschätztes Mitglied der Göttinger Bühne gewesen ist und damit ein Stück Göttinger Theatergeschichte bedeutet hat.
- 17. Dezember 1950: Als Nachfolger des im April verstorbenen Pastors Eichhorn wurde heute Pastor Eduard Heller, ein gebürtiger Göttinger, feierlich in das Amt als zweiter Geistlicher an St. Jakobi eingeführt.
Der heutige sogenannte "Goldene Sonntag" wies in den Geschäftsstraßen der Stadt ein oft geradezu lebensgefährliches Gedränge auf, nicht zuletzt durch viele Käufer und Schaulustige vom Lande. Das Warenhaus Karstadt zählte in den 5 Öffnungsstunden des Tages 35 bis 40.000 Besucher. Der Gesamteindruck der Geschäftsinhaber war im allgemeinen sehr günstig.
Seit Wochen diskutiert man in der Bürgerschaft, vor allem durch ungezählte Zeitungsartikel, lebhaft die Benennung der neuen Ladenstraße, die durch den Umbau des einstigen Hotels "Zur Krone" in der Weender Straße auf dem "Kronen"-Grundstück entstanden ist. Die Kreissparkasse als Eigentümerin des Grundstücks hat ein Preisausschreiben erlassen, das die besten Benennungen prämiieren soll. Mehr als 1500 Personen beteiligten sich daran. Das Preisgericht gab den ersten Preis der Bezeichnung "Kronen-Laube" (ein Sparkassenbuch über 100 DM), den zweiten Preis (50 DM) erhielt "Ost-West-Gasse", dazu kamen noch mehrere Trostpreise zu je 10 DM. Der Vorstand der Kreissparkasse hat beschlossen, die Ladenstraße "Kronen-Lauben" zu benennen. - Allgemein wird die Entscheidung des Preisgerichts als wenig glücklich bezeichnet, "Kronen-Lauben" wird fast überall abgelehnt, dagegen "Kronen-Hof" empfohlen. Im Volksmund hat sich aber längst schon "Kronen-Passage" eingebürgert.
- 19. Dezember 1950: Der emeritierte Ordinarius für Agrikulturchemie und Bodenkunde, Professor Dr. Blanck, feierte das Goldene Doktor-Jubiläum. Aus diesem Anlaß brachten die Landwirtschaftsstudenten ihm einen Fackelzug. Dieser alte akademische Brauch wird hier seit einiger Zeit wieder neu belebt.
- 20. Dezember 1950: Oberstadtdirektor Erich Schmidt beging heute seinen 68. Geburtstag. Da es der letzte während seine Amtszeit sein wird, fand im Rathaus-Sitzungssaal eine kleine Feier statt, bei der Oberbürgermeister Föge die Glückwünsche für das neue Lebensjahr und den Dank für die aufopfernde Tätigkeit seitens des Rates wie der Stadtverwaltung übermittelte.
- 22. Dezember 1950: Zum ersten Mal übertrug der Göttinger Rundfunk-Sender heute Morgen 5 Uhr ein eigenes Programm im Rahmen des niedersächsischen Programms "Die erste Stunde". Das Thema war: "Der Sender Göttingen".
- 31. Dezember 1950: Der zum Konventual-Studiendirektor im Predigerseminar Kloster Loccum ernannte Pastor Dr. Cordes hielt heute in der überfüllten St. Marienkirche seine Abschiedspredigt. Ihm verdankt die St. Mariengemeinde vor allem die Einrichtung eines Kindergartens.